Späte Bilder,
Karl-Hartmut Lerch
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Schizzo OrongeCampo, Tusche, versch. Farbstifte, Papier, 2014 ©Lerch |
Projektbeschreibung
und Malprozess,
Malereiprojekt,
die Projektion in den Raum
In
medizinisch bedingter Klausur im sehr kleinen Format, aber in Öl auf Leinwand
und kleiner Staffelei, auch Pappe mit Miniaturgemälde Abbildung auf „Lebensgröße“
in kreisrunden Bildwerken, nach der Proportionsstudie von da Vinci vergrößert.
Eine
sphärische Welt, der rechteckigen gegenübergestellt, in Wandlungsketten der
elliptischen Schnittmengen von Überlagerungen und den Rest-Kreisen, Spitz-Wellen
im Überschlag und bikonkaven Rundsockeln mäandernd.
Die
verdichtete Komposition in der Miniatur hatte stets den Gesamteindruck im
Blick. Die Detailfixierung im Malprozess mit Malabstand zum Bild fand nicht
statt. Die kleinen Bilder entstanden immer in Einem, im Ganzen und können dies
in der Projektion im Raum kontrolliert absichern. Nicht von ungefähr gelang es
in diesen auch wieder, die eher endlosen Strukturen sich wieder zu einem eher gegenständlichen
Charakter, etwas von eher wesenshafter Natur sogar neu organisieren können.
Stückweise finden sich wie unter der Lupe die kleinen Darstellungen im Großen
wieder, wie sich die der Bild in Bild Hängung der bereits existierenden 2 Meter
Durchmesser Tondos erwiesen hat. Als müsse man nur nah genug herangehen um das
Eigenleben der Bilder zu finden. Scherzhaft könne man bei der Gioconda im
Hintergrund die Menschen in Bewegung sehen, wenn man nur nahe genug herangehen
würde.
Das
konzeptionell anmutende Schema dieser Art Malschule, die man leicht
unterrichten könnte, auch Nichtkünstlern lehren könnte, in einem demokratischen
Akt der Verbreiterung von Formenlehre, hat eine eigene Entstehungsgeschichte,
beginnend 2001, zeitweise mit eigener Galerie, oder einem Mitarbeiter und mit
externer Zwischenausstellung 2003 in Schloss Wiesenburg. Thematisch standen
verschiedene Vorgehensweisen. Beeinflusst durch einen Kunstfehler bei ein
Krankenhaus-Operation wählte ich aus eigener Erfahrung den Schmerz aus. Die
Farbe ergab sich wie von selbst, auch aus damaliger Aversion, Orange, giftig
gelbliches Kadmium Orange. Die Warnfarbe im Straßenverkehr in Plastikjacken und
Overalls. Die Gesundheitsfarbe in Säften und Multivitamintabletten. Die
Sonnenfarbe in Schirmen, T-Shirts und Badehosen. Die Gute- Laune-Farbe in der
Werbung. Die Fassadenfarbe für die Trostlosigkeit vergangenen Siedlungsbaus.
Uns so weiter und so fort. Monochrome Orange sollten die Bilder am Anfang sein.
Abbilden sollten sie schlechthin die Orange, die Frucht, die Form dieser Farbe.
Drei Stück: klein, mittel groß, im Vorder-, Mittel-, Hintergrund,
nebeneinander, hintereinander arrangiert wie im Musterkatalog in der
Verkaufsannonce der Supermärkte. Normative Bildsprache, sinnfälligster
Ausdruck. Zur Reindarstellung der Farbe, als Bravourstück vor orangefarbigem
Hintergrund, sichtbar nur durch die unterschiedlichen Farbmittel, -mischung,
-auftrag unterschieden. Maltechnik, -stil, -mittel unterscheidbar. Das Ganze
sollte auch nur im mittleren Format, unter zwei Meter Länge, einem Meter Breite
realisiert werden. Die Sichtbarwerdung wurde durch den Simultankontrast bis in
die Komplementärfarbe hinein unterstützt. Gegenbilder in diesen Farben
entstanden. Formschatten und Gegenstandsschatten wurden isoliert gesehen und
dargestellt. Die Schnittmengen und der Restkörper wurden differenziert,
abstrahiert. Das Fortschreiten dieser planvollen Malerei führte zum Konflikt
mit der mehr gestischen Intuition bis zum Genieglauben der eigenen Eingebung
des Kollegen. Die Trennung wurde zwingend und letztlich befreiend. Das
entwickelte Schema konnte sich ebenfalls wieder freisetzen, in eigener
persönlicher Entwicklung wieder. Dabei ist vor allen die thematische
Ausrichtung in der Darstellung von Schmerz zu einer Erklärung der Schönheit und
Harmonie in der Malerei geworden. Die einfache, heitere Erscheinung auf den
ersten Blick entspricht der Gelassenheit und eines Verständnis von Alter als
schlichte Vollendung wie sie zum Ziel des Lebens werden kann, kann man der
deutschen Klassik glauben schenken, angesichts nicht zuletzt meiner
gesundheitlichen Situation sicherlich ein zu gewinnender Kampf, gerade und auch
der Umgang mit Schmerzen hier in der gewandelten Darstellung eines lebbaren
Verständnisses. Schmerz ist nicht die Krankheit, im Gegenteil.
So
soll die eigentliche Ausführung auch maßstabsgerecht und planmäßig erfolgen,
was die Formensprache betrifft. Der vitale Teil des Farbauftrags löst sich
natürlich von der plakativen Erscheinung zur regelrechten Malerei basierend auf
dem Auftrag des Pigments mit eigentlicher Bindung auf der Leinwand selbst. Die
damit erreichte Körperlichkeit und sichtbare Auflösung des Pulvers zum Lack zum
Beispiel erhält die ursprüngliche Farbigkeit in hohen Maß. Teilweise wird die
Farbe eingebrannt (z.B. mit der Lötlampe) oder aufgesiebt und erst im
Firnisnebel eingeschlossen. Es kommen natürlich auch persönliche Techniken zum
Einsatz, die ich nur selbst ausführen kann. Für die größeren körperlichen
Umsetzung ins einen zwei Meter Durchmesser-Maßstab der angedachten Rundbilder müsste
ich notwendigerweise mit Assistenten arbeiten. Da der lineare Vergrößerungsprozess
aber sehr kontrolliert und planvoll verlaufen soll, ist das Delegieren der einzelnen
Schritte ohne prinzipielles Problem vorstellbar. Einige der Miniaturen sind
doppelseitig bearbeitet, damit lassen sie sich zu dem von mir entwickelten
Maltor zusammensetzen. Das Maltor wird aus sechs Leinwänden, mit dem Rücken
durch zwei torartige Metallrahmen verbunden zu einer begehbaren Malereiobjekt
zusammengefügt. Beim Durchgang ist man beidseitig und von oben durch Malerei
umschlossen. Von Weitem gesehen fügen sich die einzelnen Innen- und Außenseiten
teilweise zu fortlaufenden Bildern zusammen, das gilt natürlich auch für die
Oberseite mit den Seitenteilen oder stehen sich sinnvoll gegenüber. Entweder
werden dafür Rundbilder auf rechteckige Formate eingepasst oder auf zwei
halbiert oder in eigenen rechtwinkligen Formaten komponiert.
Bei
längerer Betrachtungszeit setzen sich ohnehin die Bildelemente eigenwillig
zusammen. Topographien wie Landschaften und Naturphänomene, auch aus Flora und
Fauna, zumindest mystischer, sphärische Skulpturen, Architekturen. künstlich Errichtetes
aus Kult und Phantasie, Schriftartiges, jedenfalls Zeichenschrift, Abläufe aus
der Mond- oder Sonnenzeitrechnung, Mäanderfries, bildhafte Erzählungen in der
Zeit, geometrische Kolonnen. In den Zeichnungen, wo sich Anfang und Ende der
Formen wieder schließen, kann es, wie gesagt, zu Wesenhaften
Erscheinungsbildern kommen. Witzig lustig Provozierende, zum Lachen sogar
zwingende, aber auch unterschwellig magische, innere, kryptome Erinnerungsbilder,
selten eigene Dämonen, oft autarke Eigenentwicklungen. fern von unserer
Phänomenologie und fremd aus einer anderen Welt.
Eine
andere überraschende Beobachtungsmethode ist der fast beliebige Bildausschnitt
in extremer Vergrößerung, der Detailausschnitt, perspektivisch angeschnitten,
singulär im Eindruck, wie zufällig, aber bedeutungsstark in der Isolation, der
Reduktion. Optisch völlig frisch, gewagt, ungezwungen, unakademisch frei,
modern, zeitlos aus dem Moment, aus einem Beobachtungsstandpunkt der Zukunft
quasi, in ein sphärisches Universum.
Für
eine Ladengalerie Ausstellung in Kreuzberger Kunsthaus wurden die drei
Holzscheiben „Oronge Tondo“ auf drei Präsentationsstaffeleien stehend durchs
Schaufenster wie Weltkarten zueinander gestellt. Dazu gab es einen Text, der
die Bilder als Bebilderung der Stringtheorie vollkommen schlüssig ausgab, um
damit die wechselnde politisch-esoterische Ideologiegeschichte des Ortes
aufzuzeigen. Die Ähnlichkeit n der Randerscheinung ist aber auch verblüffend,
wenn man will., allerdings wissenschaftlich inzwischen überholt. In meiner
eigenen Historie gab es in unserem Kölner Wohnviertel ein Farben- und
Tapetengeschäft, gegenüber der Speiseeisfabrik „Schmeck“, „Schmecklecker“
genannt, dieser mit Glaskästen für die verschiedenen Geschmacksrichtungen, in
den jeweiligen Farbmischungen, jener mit einer Reihe von offenen Holzschubläden,
jeweils für eine Farbe loses Pigment, jeweils mit einer extra Kelle darin
liegend, womit braunes Packpapier im Tütenhalter auf der Waage abgefüllt wurde.
Beim ersten Kauf trug ich das Pulver mit Wasser auf Schreibmaschinenpapier auf.
So beeindruckend intensiv der Farbwert im Nasszustand erhalten blieb, sich fast
noch aufregend, wegen der drohenden Sauerei schon steigerte, um so
enttäuschender war das Ganze auf der Fensterbank über dem Heizkörper geworden.
Alles hatte sich zu einem welligen Etwas aufgetrocknet verzogen, in dessen
Wellentälern sich das tot ausgewaschene Pigment, ohne jede Haftung, zu unregelmäßig
Krümmungen, streifig in den Faltenverläufen gesammelt hatte, um bei jeder
Berührung in Zuckungen zu anderen Faltungen springend, vom Blatt auf die
Wohnungsdekoration der 50er Jahre zu hüpfen.
„Ohne
jede Bindung?“ war der mitleidige Kommentar. „Und das Abkleben für den
Trockenprozess.“ sagte der Händler später und gab mir eine braune, gummierte
Papierklebestreifenrolle, andere gab es auch damals noch gar nicht. „Nass in
nass!“
Bis
auf die Rückseiten der Holzscheiben, die auch freihängend, von beiden Seiten
sichtbar, im Rundrahmen gehängt werden sollen, sich von selbst leicht drehend,
in den Gegenfarben grün-violett schillernd wie ein Nachbild, teilweise
komplementär zum Beispiel, ist die Farbigkeit wieder zurück zum allerdings sehr
komplex hergestellt, aufgetragenen Orange gegangen. Zum Orange-Eindruck
jedenfalls, im Extrem-Fall durch das ölfarbig groß gestempelte Wort, als
künstlerischer Scherz, nur durch den Begriff hervorgerufen.
In
anderen normalen Tafelbildentwürfen fanden sich auch die alten
Dreier-Kombinationen in erweiterte Form wieder. Die Überlagerungen der Kreise
sind komplexer dargestellt, quasi in scheinbarer Bewegung, als ein
Ausdehnungsvorgang, farbig dazu noch orange Transparenz vor Violett. An den
Innenrändern scheinen die Kugeln sich in dem vorgestellten Formenspiel wiederum
selbst zu zerteilen, zusammenzufügen, die Kugeln selbst wieder ein Objekt zu
repräsentieren, ein Teilobjekt in Quallenbewegung auch am Umfang, siehe W.
Reich, sich zusammenziehend, fortzubewegen. Diese neue Dimension scheinbarer
Bewegung wird gerade versucht breiter, aber gezielter hervorzurufen, in anderen
Kompositionen auch zu erreichen versucht, die Starrheit aufzuheben können und
den Wandel als Illusion sichtbar passieren zu lassen kontrollieren.